Palast von Phaistos
Der Palast von Phaistos auf Kreta wurde um 1900 v. Chr. errichtet. Er wurde mehrfach zerstört und an derselben Stelle wieder aufgebaut. Archäologen ordnen das Bauwerk der minoischen Kultur zu. Wie Fresken, Keramik und andere Funde zeigen, begründeten die Minoer vor 4000 Jahren die erste Hochkultur Europas. Für Touristen gilt der Palast von Phaistos als Alternative zum überlaufenen Palast von Knossos. Ob sich aber ein Besuch lohnt und alles weitere zum Palast von Phaistos, erfährst du nachfolgend.
Was ist der Palast von Phaistos?
Die Ausgrabungen des Palastes von Phaistos auf einem Bergrücken oberhalb der fruchtbaren Messara-Ebene werden alljährlich von einer Vielzahl an Touristen aus aller Welt besucht. Die Besucher genießen bei ihrem Ausflug zu den Ruinen aus der Bronzezeit – einem Labyrinth aus Mauern, Treppen, Toren, Plätzen und Gassen - auch die atemberaubende Aussicht über die griechische Insel.
Riesige Tonkrüge sind noch in den alten Vorratskammern von Phaistos zu sehen. Wertvolle Funde wie Fresken, Statuen, Vasen, Schmuck und Siegel sind jedoch im Archäologischen Museum der Inselhauptstadt Heraklion untergebracht. Wer sie gesehen hat, kann Phaistos vielleicht besser verstehen. Aber auch die Ruinen werfen ein Licht auf die damalige, hoch entwickelte Palastkultur. Es gab bereits fließendes Wasser, Bäder, Abflusskanäle, Tempel und Theater. Die Paläste waren multifunktionale Zentren. Neben Wirtschafts- und Verwaltungsaufgaben, die dort erledigt wurden, standen sie auch im Mittelpunkt von Politik und Religion.
Von den angrenzenden Wohnhäusern und Werkstätten der Menschen, die mit ihrer Arbeit und ihren Abgaben zum Wohlstand der Oberschicht im Palast beitrugen, ist wenig bekannt. Jedenfalls entwickelten sich rund um die kretischen Paläste durch Zuzug von Menschen vom Land die ersten Städte Europas. Die Staatsform der Minoer ist bis heute unbekannt. Gab es einen König und eine Königin? Die Unsicherheit liegt auch daran, dass die minoischen Schriften bisher nicht entschlüsselt worden sind. Noch immer gibt die minoische Kultur Rätsel auf. Glaubt man den Fresken, war sie friedlich: Phaistos und auch die anderen kretischen Paläste waren keine für Verteidigungsfälle ausgebauten Bollwerke, sondern scheinbar für jedermann zugänglich. Kriegerische, gewalttätige Auseinandersetzungen oder Gesten der Unterwerfung suchen Historiker auf den Fresken vergeblich. Männer und Frauen scheinen in dieser Gesellschaft gleichberechtigt gewesen zu sein. Die Menschen, die an viele Götter glaubten, stellten eine Göttin der Natur – eine Muttergöttin - in den Mittelpunkt ihrer Spiritualität.
Wo ist der Palast von Phaistos?
Phaistos liegt sehr zentral im Süden Kretas. Da die Minoer Seefahrer waren, die durch Handel mit den Kykladeninseln, dem griechischen Festland, Kleinasien und Ägypten zu Wohlstand und ihrer Hochkultur kamen, erscheint die geografische Lage von Phaistos strategisch günstig. Kretische Exportschlager der damaligen Zeit waren Wein, Keramik, Wolle und Olivenöl. Einige Historiker sind der Meinung, dass Kreta ein Umschlagplatz für Zinn gewesen sein könnte, das man als Legierung für die Herstellung von Bronze brauchte. Zinn gab es nur in Westeuropa, während das für Bronze nötige Kupfer im Osten gefördert wurde. Damals existierte der Hafen Kommos – nur einige Kilometer von Phaistos und seinem Nachbarpalast Agia Triada entfernt. Kreta hatte vier bedeutende Paläste – neben Phaistos im Süden, das noch bedeutendere Knossos im Norden, Malia - ebenfalls an der Nordküste - und Kato Zakros an der Ostküste.
Anfahrt und Parken
Zurück zur Neuzeit: Wie kommen Kreta-Reisende heute nach Phaistos? Touristen können in jedem Touristen- oder Reisebüro auf Kreta geführte Bustouren dorthin buchen. Mit dem (Miet-)Auto gelangt man über Landstraße Nr. 97 von der Inselhauptstadt Heraklion in Richtung Süden nach Phaistos. In den vergangenen Jahren ist eine neue Schnellstraße von Agia Vavara nach Moires (auch Mires genannt) eröffnet worden, welche die Fahrt nach Phaistos nun um 16 Kilometer verkürzt. Von Moires aus sind es nur noch einige Kilometer bis zum Abzweig, der zu den Palastruinen führt. Von Heraklion bis zum Ziel sind es 55 Kilometer und die Fahrt dauert rund 50 Minuten. Der Linienbus braucht anderthalb Stunden. Die gut ausgeschilderten Straßen führen zu gebührenfreien Parkplätzen oberhalb der Ruinen. Touristen finden dort einen Museumsshop, ein Café, Toiletten und das obligatorische Kassenhäuschen. Auf dem Ruinenplateau gibt es für Besucher Infotafeln in griechischer und englischer Sprache.
Geschichte hinter dem Palast
Der Bau des Palastes von Phaistos fällt in die so genannte „Ältere Palastzeit“, der mittelminoischen Zeit von 1900 bis 1600 v. Chr. Um 1700 v. Chr. wird der Phaistos-Palast durch ein Erdbeben zerstört, aber schnell wieder aufgebaut. Die Neuere Palastzeit – auch spätminoische Zeit genannt – von 1600 bis 1450 v. Chr. fasziniert Archäologen besonders, denn sie sind von den farbenfrohen Palast-Fresken der Minoer begeistert.
Dargestellt werden junge Männer und Frauen mit prachtvollen Locken und Kopfbedeckungen bei Sport, Spiel, beim Musizieren und rituellen Handlungen wie Prozessionen und Opfergängen. Verziert und eingerahmt werden die Menschen auf den Bildern von stilisierten Pflanzen, Tieren und Blumen. Minoerinnen waren Modedesignerinnen, Künstlerinnen, Verwalterinnen und Priesterinnen. Eine in Knossos gefundene Fayence-Statuette zeigt eine barbusige „Schlangengöttin“. Archäologen sehen in der kleinen Statue eine Art Glücksbringer mit Schutzfunktion für ein Haus und seine Bewohner.
Doch ab 1450 v. Chr schwindet allmählich der Einfluss der Minoer, ihre Kultur versinkt. Lange glaubten die Archäologen, dass der große Vulkanausbruch auf der Kykladeninsel Thera – dem heutigen Santorin – die minoische Kultur mit einem durch die Eruption ausgelösten Tsunami plötzlich auslöschte. Doch heute weiß man, dass der Vulkan schon früher ausbrach und die minoische Kultur dadurch zwar Schaden nahm - aber weiter existierte. Der Niedergang wurde vermutlich durch fehlende Absatzmärkte kretischer Produkte und die Eroberung durch die patriarchalisch orientierten Mykener 1430 v. Chr. besiegelt.
Sagen und Mythen rund um das kretische Phaistos
Der Sage nach soll der kretische König Minos Phaistos auf der Insel höchstpersönlich errichtet und nach einem Sohn oder Enkel des Herakles (Heros Phaistos) benannt haben. Der Herrscher war der Sohn des griechischen Gottes Zeus und seiner Geliebten, der Königstochter Europa. Als Stier verwandelt entführte Zeus Europa nach Kreta, wo er wieder in die Gestalt eines Menschen schlüpfte. Eines Tages erzürnte König Minos den Meeresgott Poseidon. Er brachte ihm ein minderwertiges Tier als Opfer dar. Darüber geriet Poseidon so in Zorn, dass er Minos’ Ehefrau Pasiphae verzauberte und sie dazu brachte, sich mit einem Stier zu paaren. Daraufhin gebar sie ein Monster, das halb Stier und halb Mensch war - den Menschenfresser Minotaurus. Minos sperrte den Minotaurus in ein Labyrinth ein, wo ihm alljährlich sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen geopfert wurden. Der griechische Held Theseus tötete schließlich den Minotaurus, fand aber nur mit Hilfe seiner Geliebten, Minos’ Tochter Ariadne, wieder aus dem Layrinth heraus. Sie hatte ihm ein Wollknäuel mitgegeben, und nur durch den Faden fand er zurück.
Im Palast von Phaistos soll aber nicht Minos zuhause gewesen sein, sondern sein Bruder Rhadamanthys. Je nach Quellen war Rhadamanthys Nachfahre (Urenkel) des Kres oder selbst ein Sohn des Zeus und der Europa. Rhadamanthys war ein sehr mächtiger und gerechter Herrscher auf Kreta. So soll er später auch Richter in der Unterwelt geworden sein. Nach anderen Quellen herrschte er sogar über das Elysion – die Insel der Seligen auf den die griechischen Helden, wie Achilleus, Peleus oder auch Menelaos, zu finden sind.
Laut dem altgriechischen Dichter Homer hat Phaistos unter König Idomeneus am Trojanischen Krieg teilgenommen.
Diskos von Phaistos
1900 begannen die Ausgrabungen von Phaistos durch die Italiener Frederico Halbherr und Luigi Pernier. Unter abgetragenen Gebäuden anderer Epochen stießen sie auf die Reste des Palastes von Phaistos. Bis heute sind die Ausgrabungen nicht abgeschlossen. Ein Sensationsfund lässt die Archäologen seit 2008 rätseln.
Damals fand Perniers Mannschaft in einer Vorratskammer von Phaistos eine rätselhafte Tonscheibe – heute „Diskos von Phaistos“ genannt. Dabei handelt es sich um eine im Durchmesser 16 Zentimeter große Scheibe, die 2,5 Zentimeter dick ist. Beschriftet – oder besser ausgedrückt: Bedruckt worden ist sie spiralförmig auf beiden Seiten mittels Stempeln mit unterschiedlichen Motiven wie Blumen, Vögeln, Köpfen, Fischen und Rosetten, die sich in verschiedener Reihenfolge wiederholen.
Nicht nur die Bedeutung, Sinn oder Zweck dieser Jahrtausende alten "Drucksache" sind ungeklärt, auch über das Alter der Scheibe wird gestritten. In jüngster Zeit versucht Linguistikprofessor Gareth Owens von der Universität Cambridge die „Schrift“ auf der Scheibe mittels Computern zu entziffern. Er übersetzte die Zeichen in Töne und hält den so erhaltenen „Gesang“ für ein Gebet an die Muttergöttin.