Hypatia
Frauen in der Wissenschaft sind heute keine Seltenheit mehr. In den antiken Kulturen Roms, Griechenlands und Ägyptens sah das jedoch noch deutlich anders aus. Eine der wenigen weiblichen Gelehrten war Hypatia von Alexandria – über deren Leben wenig bekannt ist, um deren Tod sich aber zahlreiche Mythen ranken. Erfahre nachfolgend mehr über Hypatia, ihr Leben, ihr Wirken in der Wissenschaft und natürlich wie und warum sie gestorben ist.
- Hypatia Steckbrief
- Geburt & Kindheit in einer Welt des Reichtums und des Wissens
- Die Straße als Universität
- Ein Leben für die Philosophie
- Um die Naturwissenschaften ranken sich Mythen
- Nicht nur in der Wissenschaft prägend
- Alleine zwischen den Strömungen
- Wie ist Hypatia gestorben?
- Warum beschäftigt uns Hypatia noch heute?
- Quellen und weitere Informationen
Steckbrief
Steckbrief: Hypatia | |
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Name | Hypatia (griechisch Ὑπατία Hypatía) |
Geboren | ca. 355-375 n. Chr. in Alexandria, Ägypten |
Gestorben | März 415 n. Chr. in Alexandria |
Vater | Theon von Alexandria (Mathematiker und Astronom) |
Familienstand | Unverheiratet (nach historischen Quellen) |
Beruf/Position | Philosophin, Mathematikerin, Astronomin, Öffentliche Lehrerin |
Schüler (Auswahl) | Synesios von Kyrene, Herkulianos |
Philosophische Schule | Neuplatonismus |
Hypatia in Emojis | 📚, 👩🏫, ✨, 🔭, 📐, ⚖️ |
Geburt & Kindheit in einer Welt des Reichtums und des Wissens
Hypatia von Alexandria wird um das Jahr 360 nach Christus geboren (das genaue Geburtsjahr ist dabei in der Forschung stark umstritten. Je nach Quelle variiert dieses von ca. 355 n. Chr bis sogar 375 n. Chr.). Wer ihre Mutter war, ist unbekannt. Deutlich bekannter ist dagegen ihr Vater: Theon von Alexandria hat sich in der antiken Welt einen Namen als Universalgelehrter erarbeitet. So forscht und lehrt er zu vielseitigen Themen, zu denen die Philosophie, die Mathematik und die Astronomie gehören. Er übersetzt und interpretiert die Schriften früherer Gelehrter und trägt somit das jahrtausendealte Wissen vor allem griechischer Professoren in die Neuzeit. Hypatia wächst in Kindheit und Jugend unter diesem Einfluss auf, ihre hohe Intelligenz soll bereits in jungen Jahren erkennbar gewesen sein.

Aber noch ein zweiter Aspekt ist für das Leben – und letztlich leider auch den Tod – Hypatias prägend: Denn sie wird in eine Stadt hineingeboren, die damals zwar auf ägyptischem Grund und Boden steht, die sich allerdings seit über 400 Jahren der römischen Herrschaft beugen muss. Die Römer wiederum führen Alexandria zu wissenschaftlicher und kultureller Größe. Menschen aus aller Welt finden den Weg in die Hauptstadt Ägyptens, bringen ihr Wissen und ihre religiösen Ansichten mit. Alexandria entwickelt sich zu einem Schmelztiegel, wodurch die junge Hypatia auf unterschiedliche Informationen sowie Sichtweisen zurückgreifen und so ihr eigenständiges Denken perfektionieren kann.
Die Straße als Universität
Dank der frühen Prägung durch ihren Vater und ihre Umgebung beginnt Hypatia bereits in der Kindheit, sich den Naturwissenschaften zu widmen. Sie bringt ein großes Interesse für die Mathematik mit und kann sich für die Astronomie begeistern. Mehr als das gilt ihre Liebe aber der Philosophie. Das Wissen erwirbt sie vermutlich einerseits im Museion, einer der fortschrittlichsten Lehranstalt der Antike. Andererseits steht ihr der Zugang zur großen Bibliothek von Alexandria offen (sofern die Bibliothek zu diesem Zeitpunkt noch stand), wo sie auf tausende Schriftrollen der Antike zurückgreifen kann. Dabei tritt sie in die Fußstapfen ihres Vaters und führt seine Lehren fort.
Schon in der Jugend soll Hypatia damit begonnen haben, Vorlesungen zu halten. Doch als Frau kann sie an Schulen und Universitäten zwar am Unterricht teilnehmen – dagegen ist es nicht gerne gesehen, wenn sie diesen auch erteilt. Denn in der Antike wird die Wissenschaft nahezu ausnahmslos von den Männern betrieben. Laut dem Neuplatonikers Damaskios sei sie unterwegs gewesen, um öffentlich zu unterrichten. Wie genau dies zu interpretieren ist, ist strittig. Sie soll aber keinen aus öffentlichen Mitteln finanzierten Lehrstuhl innegehabt haben. Wie sie es auch gemacht hat, es war letztlich so erfolgreich, dass Gelehrte aus aller Welt in Ägyptens Metropole kommen, nur um Hypatias öffentliche Lehrveranstaltungen zu besuchen. Sie hatte viele Schüler aus den unterschiedlichsten Religionen, einer der bekannteste war Synesios von Kyrene, von dem ebenfalls einige Überlieferung über Hypatias Wirken und Leben bekannt sind.

Ein Leben für die Philosophie
Allerdings stützt sich Hypatia in ihren Vorlesungen vor allem auf jenes Wissen, das bereits vor Jahrtausenden entwickelt und seither von Generation zu Generation weitergetragen wurde. Der Grund dafür liegt in der Forschung der Antike, die – im Gegensatz zur Moderne – nicht nach bislang Unbekanntem sucht, sondern die die althergebrachten Ansichten und Überzeugungen lediglich neu interpretiert. Gemeinsam mit ihrem Vater arbeitet Hypatia daher an den Schriften von Aristoteles und Platon, die sie kommentiert und denen sie eine zeitgemäße Note verleiht.
Sie selbst verkündet als Professorin auf den Straßen Alexandrias jene Lehren, die zur philosophischen Strömung des Neuplatonismus gehören. So glaubt sie an die Existenz mehrerer Götter. Ebenso vertritt sie die These, dass es eine Nachwelt gibt, zu der aber nur jene Menschen Zutritt erhalten, die sich bereits zu Lebzeiten durch gute Taten dafür als würdig erweisen. Damit lockt sie nicht nur Zuhörer aus allen Ländern nach Alexandria, vielmehr qualifiziert sie sich zugleich für eine ganz besondere Auszeichnung: Als vermutlich erste Frau der Antike darf sie den sogenannten Philosophenmantel (griech. Tribon) tragen. Eine Anerkennung für herausragende Leistungen, die nur männlichen Gelehrten vorbehalten ist.
Um die Naturwissenschaften ranken sich Mythen
Während Hypatias Errungenschaften für die Philosophie gut dokumentiert sind, fehlen für die Bereiche der Mathematik und der Astronomie leider die historischen Belege. Zwar hat Hypatia nachweislich in beiden Wissenschaften gearbeitet, Schriften von ihr oder anderen Gelehrten zu ihrer Tätigkeit sind indes nicht erhalten geblieben. So wurde ihr beispielsweise die Erfindung des Astrolabiums zugeschriebene – ein Messgerät zur Bestimmung der Positionen der Sterne – dies gilt aber nach heutigem Wissen als falsch. Dass Hypatia dafür aber sowohl das technische Verständnis als auch das handwerkliche Geschick besessen hat, gilt als gewiss. Hypatias Verdienst liegt vielmehr darin, dass sie solche Geräte beherrschte und in ihrem Unterricht einsetzen ließ. Aus Briefen ihres Schülers Synesios von Kyrene wissen wir, dass unter ihrer Anleitung ein Astrolabium gebaut wurde.
Ähnlich sieht für die These aus, Hypatia habe die Lehre vertreten, dass sich nicht die Sonne um die Erde, sondern dass sich die Erde um die Sonne drehe. Eine solche Ansicht war damals zwar nicht neu, sie wurde in der Wissenschaft aber nicht gelehrt. Heliozentrische Modelle wurden erst über 1000 Jahre später durch Kopernikus entwickelt. Hypatia vertrat, wie ihr Vater, das geozentrischen ptolemäischen System, in dem die Erde im Zentrum des Universums stand.
Gleiches gilt für die Annahme, dass die Sterne und Planeten am Firmament keine feste Position einnehmen, sondern dass sie sich bewegen können. Sicherlich dachte Hypatia derart fortschrittlich und fast schon revolutionär, dass ihr solche Überzeugungen mühelos zugeschrieben werden können. Da jegliche Form eines schriftlichen Nachlasses aber fehlt und auch Dokumente ihrer Zeitgenossen über sie kaum vorhanden sind, kann ihr Einfluss auf die Naturwissenschaften nicht belegt werden. Man sieht also, es rankt sich viel Fiktion um die Errungenschaften der Hypatia.
Nicht nur in der Wissenschaft prägend
Dass Hypatia von Alexandria zu den starken Frauen der Geschichte gehört, verdankt sie nicht nur ihren Leistungen in Lehre und Forschung. Vielmehr war sie in einer Zeit, in der das Wissen lediglich von den Vorfahren auf die nächsten Generationen weitergereicht wurde, zu eigenständigem Denken bereit. Sie nahm die Welt nicht einfach hin, wie sie in den antiken Schriften beschrieben wurde. Sondern sie hinterfragte die gängigen Lehren und bemühte sich, Beweise für neue Thesen zu finden. In der Wissenschaft erlangte sie damit einen Ruhm, der sie in allen Teilen der Welt populär werden ließ.
Darüber hinaus kämpfte sie gegen die aus ihrer Sicht längst überholten Geschlechterrollen an. Sich selbst sah sie als den besten Nachweis dafür, dass auch Frauen Großes leisten und einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft erbringen können. Das Privileg, eigenständig zu forschen und zu lehren, wünschte sie sich nicht nur für sich, sondern auch für andere Damen. Sie brach damit in eine von Männern behauptete Domäne ein und forderte weibliche Gelehrte – sowie den Mut, mit althergebrachten Ansichten aufzuräumen. Hypatia darf folglich als eine der ersten Feministinnen der Historie gesehen werden, deren Einfluss bis in die Neuzeit reicht (auch wenn es keine Quelle gibt, die belegt, dass sie aktiv für Frauenrechte oder eine Änderung der Rollenverteilung eintrat).
Alleine zwischen den Strömungen
Hypatia wird in antiken Dokumenten als schöne, kluge, charakterstarke und würdevolle Frau beschrieben. Mit ihren Ansichten und ihrem Auftreten macht sie sich aber nicht nur Freunde. Alleine das Tragen des Philosophenmantels lässt viele ihre männlichen Kollegen vor Zorn erblassen. Doch Hypatia wird auch ein Opfer ihrer Zeit: Während sich Alexandria mehr und mehr wandelt, wird die Öffnung für andere Kulturen und Religionen erkennbar. So nehmen die monotheistischen – und nur auf einen Gott abstellenden – Glauben des Christen- und des Judentums eine zunehmend wichtige Rolle in Ägypten ein, während Hypatia den auf mehreren Göttern basierenden Neuplatonismus lehrt. Sie gerät dabei zwischen unterschiedliche Strömungen und verliert mehr und mehr den Rückhalt aus der Wissenschaft.
Wie ist Hypatia gestorben?
Wie um ihr Leben, so ranken sich aber auch um ihren Tod zahlreiche Mythen. Vermutet wird jedoch, dass Hypatia von Alexandria im Alter von 55 Jahren im März 415 nach Christus ermordet wurde (während das Todesdatum von den meisten antiken Quellen bestätigt wird, ist das genau Alter allerdings fraglich).
Sie wurde von einer wütenden Menschenmenge in die Kirche Kaisarion (den ehemaligen Tempel Caesarium) verschleppt, ausgezogen und mit „Scherben“ (wahrscheinlich Daziegel) grausam ermordet. Anschließend wurde ihr Körper zerteilt und die Überreste an einen Ort namens Kinaron gebracht und dort verbrannt. Ein durchaus symbolischer Akt, um die Gelehrte auch nach ihrem Tod zu entwürdigen und sie nicht nur zu töten, sondern auch ihre Erinnerung auszulöschen.
Der Mord erfolgte dabei im Kontext des politischen Konflikts zwischen Präfekt Orestes und Patriarch Cyril, einem persönlichen Konflikt mit religiösen Aspekten, mit dem sie wohl ursprünglich nichts zu tun hatte. Zum Verhängnis wurde ihr enger Austausch mit dem römischen Statthalter Orestes und ihre Weigerung, zum Christentum überzutreten. Wodurch sie zur perfekten Zielscheibe wurde.
Am Ende steht der Tod einer herausragenden Mathematikerin und Philosophin, die Opfer turbulenter Stadtpolitik wurde.
Warum beschäftigt uns Hypatia noch heute?
Hypatia von Alexandria fasziniert Menschen auch nach mehr als 1600 Jahren noch aus verschiedenen Gründen. Als eine der wenigen namentlich bekannten Wissenschaftlerinnen der Antike steht sie symbolisch für den Kampf um Bildung und intellektuelle Freiheit in einer von Männern dominierten Welt. Ihr tragisches Ende macht sie zur Märtyrerin der Wissenschaft und der Aufklärung.
In unserer Zeit, in der Wissenschaftsfeindlichkeit und religiöser Fundamentalismus wieder zunehmen, erscheint Hypatias Geschichte erschreckend aktuell. Sie verkörpert den Konflikt zwischen rationaler Wissenschaft und dogmatischem Glauben, zwischen Toleranz und Fanatismus. Besonders für die Frauenbewegung ist sie zu einer Ikone geworden – als Beweis dafür, dass Frauen schon in der Antike zu höchsten intellektuellen Leistungen fähig waren.
Die moderne Rezeption spiegelt sich in zahlreichen künstlerischen Werken wider. Der spanische Regisseur Alejandro Amenábar brachte 2009 mit "Agora – Die Säulen des Himmels" eine aufwendige Filmbiografie in die Kinos, in der Rachel Weisz die Titelrolle übernahm. Der Film konzentriert sich auf Hypatias letzten Lebensjahre und die religiösen Konflikte im spätantiken Alexandria. Literarisch wurde ihr Leben beispielweise in Arnulf Zitelmanns Roman "Hypatia" verarbeitet.
Der Film "Agora – Die Säulen des Himmels" zeigt Hypatia als leidenschaftliche Astronomin und Mathematikerin, die inmitten der religiösen und politischen Wirren des spätantiken Alexandria um den Erhalt der großen Bibliothek kämpft und dabei zwischen ihren Schülern, dem Christen Orestes und dem späteren Mönch Synesios, navigiert. Während Amenábar die groben historischen Eckdaten respektiert, nimmt er sich erhebliche künstlerische Freiheiten: So lässt er Hypatia astronomische Erkenntnisse über Ellipsenbahnen machen, die erst Kepler im 17. Jahrhundert formulierte, und übertreibt den Gegensatz zwischen aufgeklärter Wissenschaft und fanatischem Christentum zugunsten einer zugespitzten Dramaturgie.
Gleichzeitig mahnt uns Hypatias Schicksal zur Vorsicht vor romantischer Verklärung. Historiker weisen darauf hin, dass ihre Ermordung wahrscheinlich eher politischen als rein religiösen Motiven entsprang – sie war in die Machtkämpfe zwischen dem Präfekten Orestes und dem Patriarchen Kyrill verwickelt. Dennoch bleibt sie ein kraftvolles Symbol für die Zerbrechlichkeit von Wissenschaft und Bildung in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche.
Quellen und Verweise
- Hypatia, Ancient Alexandria’s Great Female Scholar - Smithsonian Magazine
- Watts, E. J. (2017). Hypatia: the life and legend of an ancient philosopher. Oxford University Press.
- Deakin, M. A. (1994). Hypatia and her mathematics. The American Mathematical Monthly, 101(3), 234-243.